Dieser Artikel wurde inspiriert durch eure Kommentare. Vor ein paar Wochen schrieb ich einen Post über Veit Lindaus Vortrag in Wien “Königin und Samurai” und den danach folgenden Ereignissen. Noch mal kurz zur Erinnerung und auch für die, die ihn nicht gelesen haben: Es ging in diesem Vortrag um Co-Kreation.
Was ist Co-Kreation?
Co-Kreation ist die Weiterentwicklung der Kooperation. Es ist schon ein riesen Schritt, wenn wir in unseren Beziehungen kooperieren, also zusammenarbeiten. Wenn wir es schaffen, an einem Strang zu ziehen und das vernünftigerweise auch in dieselbe Richtung. Es gibt nämlich oft Kooperationen, wo an einem Strang gezogen wird. Nur das Groteske daran ist, dass jeder ein anderes Ende des Strangs in der Hand hat und sie sich wundern, warum sie nicht vom Fleck kommen.
Co-Kreation ist die nächste Stufe, jene Stufe wo wir gemeinsam kreieren und den anderen bei seinem Kreieren unterstützen. Die Stufe, wo wir uns gegenseitig emporschwingen und uns am Erfolg des anderen erfreuen.
Veit Lindau hat die Entwicklung der Beziehung in sechs Stufen eingeteilt, die er mit viel Humor, aber trotzdem wertschätzend erklärt hat. Der Vortrag hatte trotz seiner Leichtigkeit sehr viel Tiefgang. Kurze Quintessenz des Vortrages: Wenn es für beide passt, ist jede Stufe der Beziehung ok. Wenn du aber eine Beziehung haben möchtest, in der du mit deine*m*r Partner*in nach Außen auch was bewegen möchtest, dann ist die Stufe Sechs, die Co-Kreation, erstrebenswert.
Um diese Stufe zu erreichen, geht Veit davon aus, dass es wichtig ist seine Anima und seinen Animus gleichermaßen auszubilden und ihnen Raum zu geben.
Co-Kreation: Anima und Animus
Anima und Animus sind Begriffe aus der analytischen Psychologie von Carl Gustav Jung. Hierbei handelt es sich um zwei der wichtigsten Archetypen, also im kollektiven Unbewussten angelegte, von individueller Erfahrung unabhängige, unanschauliche Strukturen der Möglichkeiten menschlicher Imagination und Emotionalität. Anima bezieht sich auf die „innere weibliche Einstellung beim Mann“. Animus bezieht sich auf die „innere männliche Einstellung bei der Frau“.
Also das Männliche und Weibliche sollten in einem gleich gut ausprägt sein, um mit sich in Einklang zu kommen. Ich will gar nicht näher darauf eingehen, denn das, was danach geschehen ist, faszinierte mich sehr.
Wenn ihr Interesse daran habt, findet ihr unten dazu die Literatur und den Kurs.
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Am Tag nach dem Vortrag dachte ich so bei mir: “Es wäre wiedermal Zeit für ein Buch von Veit Lindau.” Ich gehe so meinen SUB (Stapel ungelesener Bücher) durch und dabei fällt mir das “Thomas Evangelium” in die Hand.
Ich blätterte im Schnelldurchlauf, wie bei einem Daumenkino, durch und stoppte irgendwo auf einer Seite und ich war geflasht, von dem was da stand. Ähnlich dem, was uns Veit Lindau in seinem Vortrag über die Vereinigung bzw. die Ausgewogenheit des weiblichen und des männlichen Anteils vermittelt hat. Nur nicht ganz so verständlich wie Veit Lindau es gebracht hat. Aber im Prinzip das Gleiche. Ich werde kurz das Thomas Evangelium 22. wiedergeben und dazu meine Interpretation dieses Verses.
Co-Kreation im Thomas Evangelium
22. Jesus sah, wie kleine Kinder gestillt wurden. Er sprach zu seinen Schülern: “Diese kleinen Kinder, die gestillt werden, gleichen denen, die in das Reich eintreten.” Sie sprachen zu ihm: “Werden wir als kleine Kinder in das Reich eintreten?” Jesus sprach zu ihnen: “Wenn ihr zwei zu eins macht, und wenn ihr das Innere wie das Äußere und das Äußere wie das Innere und das Göttliche wie das Irdische macht und ihr das Männliche und das Weibliche zu einer Einheit macht, so dass das Männliche nicht mehr das männliche und das Weibliche nicht mehr das Weibliche ist; wenn ihr ein Auge formt statt eines Auges und eine Hand statt einer Hand und einen Fuß statt eines Fußes und ein Abbild statt eines Abbildes, dann werdet ihr eintreten.”
Bevor ihr jetzt meine Interpretation lest: Haltet kurz inne und lasst diesen Text auf euch wirken. Er ist so aussagekräftig, hat soviel Wirkung und ist so wahr.
Was ist die Aussage dahinter?
“Diese kleinen Kinder, die gestillt werden, gleichen denen, die in das Reich eintreten.”
Als kleine Kinder sind wir noch unbeeinflusst, wir lernen und sehen die Welt auf faszinierende, zauberhafte Weise.
Quelle : Pixabay
Kinder kennen den Unterschied zwischen männlich und weiblich, gut und böse und allen anderen moralisch bewertenden und trennenden Dingen nicht. Wir sind eins mit allem, was uns umgibt, bis wir die Schule der Erziehung durchwandern.
Das will Jesus uns damit sagen. Wenn wir diesen Zustand des Einsseins wieder erlangt haben, dann werden wir in das Reich eintreten.
Das Innen und Außen ist eine vom Menschen erfundene Darstellung des Raumes. Für den Geist, für die Seele und die Gefühle gibt es kein Innen und Außen. Ein Gefühl schmerzt oder erfüllt einen mit Freude. Nicht nur im inneren, es manifestiert sich auch im Außen. Alleine durch unsere Haltung. Der Mensch ist mehr als nur räumlich, mehr als ein Konzept.
Wir haben uns auch angemaßt, das Göttliche und Irdische zu trennen. Doch das Göttliche ist in uns, so wie in der Natur. Dadurch ist es auch auf der Erde. Somit kann das Göttliche auch irdisch sein und unser irdisches Dasein, wenn wir es leben, auch göttlich.
Das Männliche und Weibliche
Quelle: Pixabay
Das Männliche und das Weibliche sind unübersehbar im Außen. Die Unterschiede sind klar erkennbar und wichtig für unser Überleben. Beides dient aber auch zu mehr, als nur der Fortpflanzung und genau diese Vereinigung der beiden Pole lässt uns wieder verschmelzen. Ohne dem Männlichen und dem Weiblichen würden wir nicht existieren, wir tragen beides in uns. Es will sich beides entfalten und wir dürfen uns daran erfreuen, denn es kann so etwas Wunderbares geschehen, wenn wir unseren Animus und unsere Anima in uns anerkennen. Wir begegnen einander wertvoller und wertschätzender – dann wird echte Co-Kreation möglich.
Die Einheit
Die Aufteilung ist ebenso ein Produkt des Menschen. Ja, physikalisch und durch unsere statische Ausdrucksweise haben wir zwei Hände, aber in Wahrheit sind wir eins. Wir sehen mit beiden Augen das Gleiche und fühlen mit beiden Händen das Gleiche. Unsere Füße tragen uns in die gleiche Richtung. Alles in uns vereint sich in unserem Geist, wir sind eins.
Ein Abbild statt eines Abbildes
Wir sind ein Abbild, nicht das Produkt eines Abbildes. Lasst es uns als ein eigenständiges Wesen und nicht die Kopie eines anderen betrachten. Wir entfalten unser Leben und leben nicht das Leben eines anderen.
Wenn wir das verstanden haben und uns auf das einlassen, sind wir auf einem wunderbaren Weg und werden in das Reich eintreten. Denn du bist der Erschaffer deines Himmels oder deiner Hölle. Du und deine Gedanken kreieren sie. Das ist das, was Jesus mit dem Eintreten in das Reich meint. Der Himmel ist nicht oben im Himmel und die Hölle nicht unten. Sie sind in uns und wenn wir unsere negativen, destruktiven Gedanken zulassen werden wir in der Hölle schmoren. Durch wenig Freude und dem fehlenden Blick auf das Schöne im Leben.
Wenn wir aber unsere Gedanken, unsere moralischen Urteile und Denkweisen, Schuldzuweisungen ablegen dann kommen wir in uns an, sind in der Mitte – in uns zentriert. Geist und Körper werden eins und das ist das Himmelreich, weil wir dann zu allem fähig sind und pure Liebe spüren. So können wir den anderen in seiner Stärke anerkennen und fördern – so entsteht Co-Kreation.
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